Wir leben in hektischen Zeiten, und Stress kann krank machen. Doch die gute Nachricht lautet: Wie gestresst wir sind, haben wir selbst in der
Hand.
Ob bei der Arbeit, in der Freizeit oder der Beziehung: Stress ist heutzutage allgegenwärtig – und hat einen ziemlich schlechten Ruf. „Völlig
zu unrecht“, kontertSepp Porta, Stressforscher der Universität Graz. Seine These: Gäbe es keinen Stress, wäre der Mensch längst ausgestorben. „Ohne Stress keine Evolution“, bringtder
Endokrinologe das Phänomen auf den Punkt.
Im Grunde ist die Stressreaktion ein Geniestreich der Natur: Erst unter Stress läuft unser Körper zur Hochform auf. Dann schießen in
Sekundenbruchteilen Hormone wie Cortisol, Noradreanlin und Adrenalin ins Blut. Sie sorgen dafür, dass Herzschlag
und Atmung sich beschleunigen, mehr Sauerstoff durch den Körper strömt, Gehirn und Muskeln ausreichend Zucker zur Verfügung steht. Gleichzeitig
dämpfen die körpereigenen Botenstoffe andere, momentan weniger wichtige Systeme wie die
Verdauung.
Keine Obergrenze für Stresshormone
Ein kleiner Adrenalinschub von Zeit zu Zeit weckt die Lebensgeister, bringt Schwung ins Leben und macht fit für Notsituationen. Problematisch wird
es, wenn der Stress kein Ende nimmt: Im Gegensatz beispielsweise zu den Sexualhormonen gibt es für
Stresshormone keine Obergrenze. „Ganz egal, wie hoch der Spiegel ist, der Organismus kann immer noch mehr ausschütten“, so Stressforscher Sepp
Porta.
Biologisch sei das sinnvoll, weil so bei Gefahr noch zusätbzliche Stressfaktoren bewältigt werden können. Doch was zu viel ist, ist zu viel:
Irgendwann überschlägt sich das Herz, der Sauerstoff reicht nicht mehr und es kommt zum gefürchteten Myokardinfarkt, einem stressbedingten Herzkollaps
Alarmzustand: Dauerbelastung macht krank
Tückisch sind auch die Auswirkungen von chronischem Stress, wie es zum Beispiel berufstätige Mütter trifft, die zwischen Schreibtisch und Haushalt
hin und her hetzen.
In Urzeiten folgte auf Stress meist eine körperliche Reaktion wie Flucht oder Kampf. Dabei baute der Organismus Blutzucker und Stresshormone wieder
ab. Moderne Stressopfer können meist aber weder davonlaufen noch zuschlagen und bleiben auf
den hohen Werten sitzen.
Die Folgen: Der Daueralarm im Inneren sorgt für ständig erhöhte Blutzuckerwerte, die die Gefäße ähnlich schädigen wie ein Diabetes. Das Immunsystem schwächelt, Herz und Kreislauf sind ständig belastet und nehmen Schaden. Magen und Darm bleiben laufend unterversorgt und reagieren mit Beschwerden von Sodbrennen bis Magengeschwür.
Von den psychischen Folgen ganz zu schweigen: Wer dauernd unter Strom steht, dem drohen Schlafstörungen, Burn-out und Depressionen.
Erst in den letzten Jahren hat man eine weitere krank machende Auswirkung von Dauerbelastungen entdeckt: den so genannten oxidativen Stress. Wie
immer, wenn der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft, entstehen auch mehr freie Radikale. Diese aggressiven Stoffwechselprodukte sind Sauerstoffmoleküle, denen Elektronen fehlen. Auf der Jagd nach
fehlenden Teilchen räubern sie bei anderen Molekülen.
Dabei können sie gesunde Zellen zerstören oder sogar Schäden im Erbgut anrichten. Sie lassen den Körper schneller altern und sollen im schlimmsten
Fall sogar Krebs auslösen können.
Stress bezeichnet eine durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische (Aktivierungs-)Reaktion bei Lebewesen.
Diese kann entweder durch die Bereitstellung zusätzlicher Energie zu einer Bewältigung besondere
Anforderungen befähigen oder aber körperliche undseelische Belastungen hervorrufen.
Ob sich diese Aktivierung positiv oder negativ auf den Körper und Geist auswirkt, hängt von
der individuellen Bewertung der Stressfaktoren ab.
Der Mensch ist stets bestrebt, sein inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Falls ihm dies
nicht gelingt, entsteht negativer Stress. Ausgelöst wird dieser meist durch das Gefühl,
- bestimmte Situationen nicht unter Kontrolle zu haben,
- sich selbst nicht unter Kontrolle zu haben,
- sich nicht entwickeln zu können,
- nur auf sich selbst gestellt zu sein und keine Hilfe erwarten zu können.
Dauert dieser Zustand über eine längere Zeit unvermindert an, ist von chronischem Stress die Rede (vgl. Reschke/Schröder, 2010).
Der Begriff Stress weist differierende Bedeutungen auf. Unterschieden wird zwischen dem
positiven Eustress, der uns beflügelt und dem negativen Distress, der uns überfordert und
Unlustgefühle hervorruft (vgl. Selye, 1988)
Bereits im Jahre 1932 beschreibt der Physiologe Walter Cannon mit seiner Theorie „Fight- or-flight“ den körperlichen Vorgang einer Stressreaktion.
•Unser Gehirn reagiert reflexartig auf alles Unerwartete und bewertet die Gefährlichkeit einer Situation in Sekundenschnelle
Es entscheidet, ob das Individuum kämpfen (engl. fight) oder fliehen (engl. flight) soll. Vor allem in der Zeit der „Jäger und Sammler“ war dies überlebensnotwendig. Das Individuum musste beim Anblick eines Raubtieres in kürzester Zeit kampf- oder fluchtbereit sein.
Das bedeutet, dass der menschliche Organismus unter Stress in Höchstform arbeitet.
Auch zur heutigen Zeit äußern sich die körperlichen Reaktionen auf dieselbe Weise: Bei Stress wird die gesamte Energie für die Muskelkraft mobilisiert.
Doch zur Lösung heutiger moderner Probleme reicht diese Muskelkraft nicht mehr aus. Es entsteht ein Überhang an angestauter Energie im Körper. Aus psychologischer Sicht wird Stress als Beziehung zwischen einem Reiz und einer Reaktion gesehen. Dabei steht der Bewertungsprozess eines Reizes im Vordergrund.
Sobald bestimmte Reize/Stressoren vom Individuum als stressig empfunden werden, wird infolge dessen eine Stressreaktion ausgelöst.
Richard Lazarus (1966) fokussiert sich in seiner Stresstheorie auf die soeben benannte Situations- bewertung von Stress. Demnach besteht eine Stresssituation aus drei Elementen.
Dem Individuum selbst, dessen subjektive Einschätzung der Gefahr und den eigenen Ressourcen. Ebenso spielen Persönlichkeitsfaktoren (Selbstbewusstsein, Tatkraft usw.) und Situationsdeutungen (Überforderung, Ängstlichkeit, Optimismus usw.) eine wichtige Rolle.
Laut Lazarus theoretischen Überlegungen wird ein Reiz als stressvoll bezeichnet, weil dieser vom Individuum als solchen bewertet wurde. Um den Bewertungsprozess näher zu beschreiben, liefert das Transaktionale Stressmodell einen wertvollen Beitrag, welches drei Stufen der Situationsbewertung erläutert:
Im ersten Schritt, der Primärbewertung, werden die Reize aufgenommen und auf Gefährlichkeit untersucht unbeurteilt.
Anschließend (Sekundärbewertung) wird beurteilt, welchen körperlichen, psychischen und sozialen
Schaden oder Aufwand die Situation mit sich bringt und welche Alternativen es gibt.
Daraufhin wird eine Strategie erstellt. Nachdem verschiedene Verhaltensalternativen
gegeneinander abgewogen werden, wird die Gefahr erneut bewertet (Neubewertung). Wenn
der Betroffene seine Bewältigungsmöglichkeiten als nicht ausreichend einschätzt, entsteht
Stress (vgl. Nagel, 2014).