Rainer Maria Rilke ~ Weltinnenraum


Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Weltinnenraum

Es winkt zu Fühlung fast aus allen Dingen,

aus jeder Wendung weht es her: Gedenk!

Ein Tag, an dem wir fremd vorübergingen,

entschließt im Künftigen sich zum Geschenk.

.

Wer rechnet unseren Ertrag? Wer trennt

uns von den alten, den vergangnen Jahren?

Was haben wir seit Anbeginn erfahren,

als das sich eins im Anderen erkennt?

.

Als dass an uns Gleichgültiges erwarmt?

O Haus, o Wiesenhang, o Abendlicht,

auf einmal bringst du’s beinah zum Gesicht

und stehst an uns, umarmend und umarmt.

.

Durch alle Wesen reicht der eine Raum:

Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still

durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,

ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.

.

Ich sorge mich, und in mir steht das Haus.

Ich hüte mich, und in mir ist die Hut.

Geliebter, der ich wurde: an mir ruht

der schönen Schöpfung Bild und weint sich aus.

Entstehungsjahr 1914 (Aus dem Nachlass)

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